Ich (Christian) schreibe dieses Mal ganz frech einen etwas anderen Beitrag. Eigentlich wollte ich euch nämlich von meinen ersten zwei Runden aus meinem aller ersten 1v1 Turnier (ever!) berichten, aber im Moment passieren in meinem Leben viele Dinge gleichzeitig, die mich derart beschäftigen, dass es raus muss. Warum nicht in diesem Newsletter, mit einer persönlichen Note, gerichtet an euch liebe Menschen, die uns und damit ja auch mir zugeneigt genug sind, um was von uns lesen zu wollen. Und keine Sorge, es hat auch mit AoE zu tun. Also los:
Ich habe das schon an der einen oder anderen Stelle geäußert: Meine Stärke ist ein hoher Arbeitswille, ein struktiertes und analytisches Vorgehen und eine gute Portion Effizenz. Das alles brauch ich auch, weil ich kein Talent habe. So garnicht, für garnichts außer Fußball, nur ist das leider schon 15 Jahre her und wenn ich jetzt sprinten muss, dann bekomme ich Muskelkater. Damit ich in AoE besser werde, muss ich leider viel Zeit investieren. Wer ähnlich untalentiert ist wie ich, weiß wovon ich rede. Leider sind meine Lebensumstände so, dass ich die meiste Zeit gut priorisieren muss, wann ich was spiele, da ich mich um meinen Vater kümmere und das neben meiner Vollzeitarbeit einen beträchtlichen Teil meiner Freizeit frisst. Das ist eigentlich auch okay für mich, weshalb ich jedoch schon immer entscheiden musste, wie ich AoE spiele. Bekannter Weise spiele ich eigentlich ausschließlich Teamgames, weshalb meine 1v1 Skills geradezu unterirdisch sind. Oder anders formuliert: es gibt eine eklatante Differenz zwischen meinen Teamgame und 1v1 Skills. Mit meiner Teilnahme am RMM Turnier habe ich mich nach langem Überlegen dazu durchgerungen, das erste Mal an einem 1v1 Turnier teilzunehmen. Denn das Setting spricht mich an: es ist ein Turnier, das Vorbereitung (also Arbeitswillen) belohnt und bei dem Talent nicht ganz so zum Tragen kommt, weil die Maps größtenteils unbekannt und merkwürdig sind. Außerdem hat man immer eine Woche Zeit zum Üben. In der ersten Woche hatte das bei mir gut geklappt: ich habe mit unterschiedlichen Leuten die Maps geübt und fühlte mich vorbereitet. In Woche 2 konnte ich jede Map maximal 2x spielen und ich ging von einer festen Niederlage aus. Ich habe gewonnen, aber das lag vor allem daran, dass ich in Teamgames der Cav Spieler bin und alle Maps auf Cavs ausgelegt waren. Glück gehabt, auch weil Felix mir gute Tipps gab. Ein schlechtes Gewissen hatte ich trotzdem, ich hatte das Gefühl, dass ich das Turnier nicht genug gewürdigt hatte.
Mein Vater hat sich ein paar Lendenwirbel gebrochen, was eine wilde Odyssey zwischen ärztlichen Untersuchungen und abendlichen Pendeleien zwischen Mainz und Frankfurt nach Feierabend zur Folge hatte. In den Wartezimmern vertrieb ich meine Zeit entweder damit, Emails abzuarbeiten oder interessante Artikel und Newsletter zu lesen. Dabei stieß ich auf einen Artikel, der bei Eurogamer erschien: Playing videogames carefully, den ich euch gerne ans Herz legen möchte. In dem Artikel geht es, ausgelöst durch tragische Umstände, um die Frage, welche Rolle das Spielen in unserem Leben hat und wie unterschiedlich Games mit uns umgehen - ich möchte sagen, wie Spiele uns als Spieler:innen und insbesondere unsere Zeit respektieren.
Eigentlich bin ich jemand, der gerne alle möglichen Spiele spielt. Ich bin ein diverser Spieler, spiele fast jedes Genre (alles außer Sportspiele) und total gerne an Konsolen. Bis vor kurzem hatte ich eine unfassbare Faszination für Playstation Trophäen. Vielleicht habe ich die immernoch, aber die Motivation ist mir abhanden gekommen. Damals sagte ich lauthals: "Trophäen sind toll, sie motivieren mich Spiele mehrfach zu spielen und die schweren Schwierigkeitsgrade zu meistern!" Heutzutage ist das für mich nicht mehr zu rechtfertigen, sonst sitze ich ein halbes Jahr an ein und demselben Spiel und kann obendrein kein AoE spielen. Und wer Spiele mit der typischen Ubisoft-Formel á la Far Cry und Assassin's Creed kennt, weiß, wieviele hundert Stunden man in generischem Repetitismus verlieren kann. Diese Spiele respektieren mich nicht, weder intellektuell, noch zeitlich. Sie machen manchmal Spaß, aber ich musste lernen, sie zu beenden, sobald der Spaß abebbte und bevor ich weitere 50 Stunden im Spiel verlor. Klingt komisch, aber als Trophäenjäger hat das ziemlich lange gedauert.
Wenn ich für das 1v1 Turnier trainiere, heißt das, dass ich weder Zeit für andere Spiele noch für Teamgames habe. Also muss ich mir folgerichtig Gedanken darüber machen, ob es das Spiel wirklich wert ist: denn der Spielwert muss so hoch sein, dass ich andere fantastische Geschichten dafür (noch) nicht erleben möchte. Dabei würde ich doch so gerne endlich Return to Monkey Island spielen! Oder mehr Pharao! Diese Gedanken gingen mir im Wartezimmer des Krankenhauses durch den Kopf, als ich den oben genannten Eurogamer-Artikel las. Mir wurde schnell klar, dass mein schlechtes Gewissen in der zweiten Turnierwoche daher kam, dass ich mich vom Spiel, von Turnierhosts und von der Community gewertschätzt fühle und daher dieselbe Wertschätzung durch gute Turniervorbereitung zurückgeben wollte.
Ein Teil dieser Wertschätzung wurde für mich in der ersten Turnierwoche, also als ich viel üben konnte, besonders spürbar. Auf Discord wurden mir last minute Tipps gegeben, ich habe allerlei Strategien gegen ganz unterschiedliche Spieler:innen ausprobieren können und fühlte mit jedem Match mehr, dass ich etwas dazu lernte. Lernen in AoE bedeutet interessanterweise Zweierlei: ich lerne, das Spiel besser zu beherrschen und ich lerne, mich besser zu beherrschen. Das Spiel verändert mich als Menschen, nicht durch sinnfreie Beschäftigung, sondern in einer motorischen und intellektuellen Auseinandersetzung. Es reagiert darauf, wenn ich besser werde, indem es sich gefügiger macht, weil ich mehr Kontrolle bekomme. Ich habe selten ein so direktes Feedback bekommen wie in dem Moment, indem ich eine Strategie umsetzen wollte und ihre Umsetzung forcieren konnte. Die Zeit, die ich in AoE Stecke, die ich deshalb nicht in andere Spiele stecke, wird vom Spiel gewürdigt und erlebbar gemacht. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, dass AoE meine Zeit respektiert. Mit dieser Erkenntnis habe ich sogar gerne ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht übe und freue mich umso mehr darüber, wenn ich die Zeit dazu finde.
Jetzt bin ich gespannt, wie ihr das seht. Sagt's mir in Discord im #newsletter Thread. Ich bin gespannt! |