Ich habe mich gestern mit meinem besten Freund Daniel getroffen und wir hatten einen dieser ganz fürchterlichen Nostalgietrips: "Erinnerst du dich noch, vor 20 Jahren haben wir World of Warcraft gespielt?" oder: "Damals musste man sich noch Patches über eine CD installieren" oder auch (und das führt uns zum eigentlichen Hintergrund dieses Beitrags): "Wenigstens spiele ich Age of Empires immer noch genauso, wie vor 20 Jahren."
Ihr ahnt sicherlich, dass dieser Satz nicht von mir, sondern von Daniel stammt. Ich kenne ihn schon seit der 7. Klasse. Bei unserer ersten Verabredung trafen wir uns bei ihm Zuhause und haben an seinem PC Diablo 1 gespielt. Das haben wir dann mit den unterschiedlichsten Spielen so fortgeführt, jede Woche kamen wir mindestens einmal zusammen und spielten Computerspiele, bis wir ca. 30 Jahre alt waren. Danach wurden die Treffen seltener und zunehmend machten wir auch andere Dinge als Computerspiele zu spielen, aber bis heute sind Spiele immer noch ein wichtiger Verbindungspunkt für uns. Um Weihnachten herum treffen wir uns jedes Jahr um zusammen der Welt zu entfliehen und die unbeschwerte Kindheit wiederaufleben zu lassen, doch da ich mit meiner Frau dieses Jahr an Weihnachten in London umherstreune, haben wir unser Treffen vorgezogen. Während im Hintergrund World of Warcraft herunterlud und wir wie zwei Boomer über die guten alten Zeiten sinnierten, fiel oben genannter Satz von Daniel und die Idee war geboren, dass wir uns die Download-Zeit damit vertreiben, dass Daniel in das neue DLC von AoE II hineinspielt. Zuerst war ich skeptisch, weil ich dachte, ich würde die Krise kriegen, wenn ich ihm zusehe, weil er keine Hotkeys benutzt, aber es stellte sich heraus, das Gegenteil war der Fall. Er spielte die Kampagne auf dem leichten Schwierigkeitsgrad und hatte einen fundamental anderen Zugang zum Spiel, als ich. Während ich in der Kampagne völlig vergaß, dass ich die Pause betätigen kann, war das ein essenzielles Werkzeug für Daniel. Alle 15 Sekunden pausierte er das Spiel, scrollte über die Map, gab Einheiten und Gebäuden Aufträge, lies dann das Spiel weiterlaufen, pausierte erneut und kontrollierte, wo er neue Befehle geben muss. Ich war fasziniert... und völlig entschleunigt. Mehr noch, ich erinnerte mich an diese Strategie und dass auch ich sie vor langer Zeit genauso genutzt hatte.
Während der Weihnachtszeit geht es vielen Menschen so, wie Daniel und mir. Man nutzt die besinnliche Stimmung, um sich ein wenig aus dem beschleunigten Alltag zu entkoppeln. Schaut man sich auf Reddit um, findet man dafür ganz unterschiedliche Beispiele. Die einen bauen einen Stadtplatz mit Weihnachtsbaum (Bild 1), die anderen eine feudale winterliche japanische Stadt (Bild 2). Wieder andere spielen die gleiche Kampagne, die sie schon 10 mal gespielt haben. Erst kürzlich ging durch die Spielepresse der Bericht, dass 60% der Spielzeit im Jahr 2023 in Spiele gesteckt wurde, die 6 Jahre alt oder noch älter sind. Das kommt selbstverständlich nicht von AoE II, sondern von Fortnite, LoL, WoW und wie sie nicht alle heißen, aber für unsere Nische ist es eben doch AoE II. In diesem Sinne wünsche ich euch allen eine besinnliche Weihnachtszeit, fröhliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr und dass auch ihr ein paar Momente der Entschleunigung genießen könnt! |